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Rechtliche und organisatorische Fragen des Vereinslebens 
Klärung eines Sachverhaltes
von: GroßeFeder ()
Datum: 18.03.2023

Hallo,

folgender Sachverhalt:
2021 turnusmäßig reguläre Vorstandswahlen gemäß Satzung für die Dauer von drei Jahren.

Satzung § 9 P.1. Dem Vorstand gehören an:

a. die/der Vorsitzende,
b. die/der stellvertretende Vorsitzende,
c. die/der Schatzmeister/in,
d. die/der Schriftführer/in,
e. bis zu zwei Beisitzer/innen.

Alle Ämter wurden gewählt und besetzt. 6 Personen im Vorstand.

Satzung § 9 P. 4. Der Vorstand ist auch Vorstand im Sinne des § 26 BGB; je zwei seiner Mitglieder vertreten den Verein gemeinsam.

November 2022 erfolgte zweimal inoffiziell während der Vorstandssitzungen (ein Rücktritt vom Rücktritt) und dann offiziell (mit Bekanntgabe an des Kreis der Ehrenamtlichen) der endgültige Rücktritt des Vorsitzenden.

Satzung § 9 P. 3. Scheidet ein Vorstandsmitglied vor Ablauf der Wahlperiode aus dem Vorstand aus, so wird in der nächsten Mitgliederversammlung ein neues Vorstandsmitglied für den Rest der regulären Amtszeit des ausgeschiedenen Mitglieds gewählt. Das Amt des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes kann kommissarisch durch den Vorstand bis zur nächsten Mitgliederversammlung besetzt werden.

Ende Februar 2023:
Firmen erhalten einen offiziellen Dankesbrief für Ihre Weihnachtsspenden mit geänderter Fußnote wie folgt:

Vorsitzender: Name des 2021 gewählten stellv. Vorsitzenden
stellv. Vorsitzender: N. N. (namentlich nicht bekannt), alles andere wie gehabt

Der Brief wurde unterschrieben:
Name des 2021 gewählten stellv. Vorsitzenden
stellv. Vorsitzender der ... Name des Vereins

Auf Hinweis, dass so etwas ohne Nachwahl nicht möglich ist, da es sich um einen offiziellen Brief handele und das im Vereinsregister der 2021 gewählte und 2022 zurück getretene Vorsitzende immer noch registriert ist, die Antwort: Man bittet um Verzeihung, die Änderung läge dem Vereinsregister vor und man wird das für die Briefe ändern lassen von der Verwaltungskraft.

Anfang März 2023 erneut offizielles Schreiben mit der gleichen Fußnote

Vorsitzender: Name des 2021 gewählten stellv. Vorsitzenden
stellv. Vorsitzender: N. N. (namentlich nicht bekannt), alles andere wie gehabt

Dieser Brief wurde unterschrieben:
Name des 2021 gewählten stellv. Vorsitzenden
Vorsitzender der ... Name des Vereins

Es ist nicht bekannt, dass der stellv. Vorsitzende zurückgetreten ist. Es fanden auch keine Nachwahlen statt. Es flossen keine Infos, dass eine kommissarische Besetzung mit sich selbst stattfand.
Die nächste MGV ist für Mai 2023 geplant.

Fragen:
1. Darf der Vorstand ein kommissarisches Mitglied aus seinen eigenen Reihen besetzen? Wie vermutlich hier, der stellv. Vorsitzende ist nun zeitgleich der "kommissarische" Vorsitzende.

2. Darf der stellv. Vorsitzende als Vorsitzender offizielle Schreiben des Vereins einfach so unterschreiben?

3. Darf der Verein diesbezüglich die Fußnote so einfach ändern, obwohl der Name des stellv. Vorsitzenden ja bekannt ist und der stellv. Vorsitzende nicht zum Vorsitzenden gewählt worden ist?

4. Was können Mitglieder dagegen tun bzw. wie sollten Sie vorgehen?

5. Ist das vermutlich gar schon eine Amtsanmaßung seitens des stellv. Vorsitzenden?
Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf,

6. Oder kann der stellv. Vorsitzende sich darauf berufen, dass er ja das Amt des Vorsitzenden kommissarisch besetzt hat, wovon niemand etwas weiß?

In der Vorstandssitzung hatte er sich bereit erklärt die Aufgaben des Vorsitzenden zu übernehmen. Gibt ihm dies zeitgleich das Recht sich offiziell zum Vorsitzenden zu ernennen?

GroßeFeder

Re: Klärung eines Sachverhaltes
von: pfeffer ()
Datum: 19.03.2023

1. Darf der Vorstand ein kommissarisches Mitglied aus seinen eigenen Reihen besetzen? Wie vermutlich hier, der stellv. Vorsitzende ist nun zeitgleich der "kommissarische" Vorsitzende.

# Ja, nach Maßgabe der Satzungsregelung: "Das Amt des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes kann kommissarisch durch den Vorstand bis zur nächsten Mitgliederversammlung besetzt werden".

2. Darf der stellv. Vorsitzende als Vorsitzender offizielle Schreiben des Vereins einfach so unterschreiben?

# Ein Schreiben ist kein Rechtsgeschäft. Außer ist ja wirksam bestellt worden.

3. Darf der Verein diesbezüglich die Fußnote so einfach ändern, obwohl der Name des stellv. Vorsitzenden ja bekannt ist und der stellv. Vorsitzende nicht zum Vorsitzenden gewählt worden ist?

# Wenn nach der o.g. Regelung der Vorstand geändert wurde, darf bzw. muss er auch auf den Geschäftspapieren stehen.

4. Was können Mitglieder dagegen tun bzw. wie sollten Sie vorgehen?

# Entweder auf die nächste MV warten oder ein Minderheitenbegehren zur Einberufung initiieren. Macht die Satzung keine Vorgaben dazu, wann die MV einberufen werden muss?

5. Ist das vermutlich gar schon eine Amtsanmaßung seitens des stellv. Vorsitzenden?
Wer unbefugt sich mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes befasst oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf.

# Der Vereinsvorstand ist:
1. kein öffentliches Amt.
2. wurde er offensichtlich nach der Satzungsregelung wirksamt bestellt
3. kommt er schon mit der Bestellung ins Amt, nicht erst mit der Eintragung.

6. Oder kann der stellv. Vorsitzende sich darauf berufen, dass er ja das Amt des Vorsitzenden kommissarisch besetzt hat, wovon niemand etwas weiß?

# Genau.

Re: Klärung eines Sachverhaltes
von: GroßeFeder ()
Datum: 21.03.2023

pfeffer schrieb:
-------------------------------------------------------
> 1. Darf der Vorstand ein kommissarisches Mitglied
> aus seinen eigenen Reihen besetzen? Wie vermutlich
> hier, der stellv. Vorsitzende ist nun zeitgleich
> der "kommissarische" Vorsitzende.
>
> # Ja, nach Maßgabe der Satzungsregelung: "Das Amt
> des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes kann
> kommissarisch durch den Vorstand bis zur nächsten
> Mitgliederversammlung besetzt werden".

Ich verstehe es nicht ganz Herr Pfeffer. Dass, das Amt durch den Vorstand kommissarisch besetzt werden kann, ist das eine, aber mit einem bereits amtierenden Vorstandsmitglied, also einem Amtsinhaber, ist das andere. Es wäre doch nur eine sinnvolle "Selbstergänzung" bis zur nächsten MGV, wenn es kein amtierendes Mitglied des bestehenden Vorstandes ist, um je ein Amt mit einer Person zu besetzen. So scheint es doch eine Verkleinerung des Vorstandes zu sein, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.

Beispiel: drei amtierenden Vorstandsmitglieder treten nach einander zurück, was bei uns nicht unwahrscheinlich ist zur Zeit. Dann könnten die drei noch im Amt verbliebenen Personen, die drei nicht mehr besetzten Ämter kommissarisch übernehmen...? Also Personalunion?

Die kommissarische Besetzung ist ja vorgesehen, um nicht sofort für die Nachwahl eine MGV einberufen zu müssen und das ist auch in Ordnung so. Und wie sieht es aus mit dem Stimmrecht? Es kann doch nicht eine Person zwei Stimmen haben bzw. geltend machen?
>
> 2. Darf der stellv. Vorsitzende als Vorsitzender
> offizielle Schreiben des Vereins einfach so
> unterschreiben?
>
> # Ein Schreiben ist kein Rechtsgeschäft. Außer ist
> ja wirksam bestellt worden.

Nein, ist er nicht. Es fand kein Mehrheitsbeschluss statt. Es war eine beiläufige Erwähnung während einer Sitzung des Vorstandes. Aber jetzt auch egal.

Und wenn sollte doch die Größe vorhanden sein es als kommissarischer Vorsitzender zu tun und nicht als Vorsitzender, der nach Auffassung der Menschen gewählt worden ist?

Wir leben hier in einer kleinen Stadt, wo solche "Feinheiten" schnell in den "falschen" Hals geraten können.

> 3. Darf der Verein diesbezüglich die Fußnote so
> einfach ändern, obwohl der Name des stellv.
> Vorsitzenden ja bekannt ist und der stellv.
> Vorsitzende nicht zum Vorsitzenden gewählt worden
> ist?
>
> # Wenn nach der o.g. Regelung der Vorstand
> geändert wurde, darf bzw. muss er auch auf den
> Geschäftspapieren stehen.

ja, das ist wohl richtig, aber dann müsste er doch als kommissarischer Vorsitzender und stellv. Vorsitzender auf den Geschäftspapieren stehen? So erweckt es den Eindruck, das wir plötzlich und unerwartet einen Vorsitzenden haben, aber keinen stellv. Vorsitzenden mehr haben obwohl wir ihn haben?
>
> 4. Was können Mitglieder dagegen tun bzw. wie
> sollten Sie vorgehen?

> # Entweder auf die nächste MV warten oder ein
> Minderheitenbegehren zur Einberufung initiieren.
> Macht die Satzung keine Vorgaben dazu, wann die MV
> einberufen werden muss?

Doch, einmal jährlich muss die MGV einberufen werden. Und Minderheitenbegehren bei ca.550 Mitgliedern ist ausgeschlossen, da ja leider nicht alle Mitglieder informiert werden, sondern nur immer ein kleiner Kreis der Ehrenamtlichen. So ist das bei allem und mit allen Vereinsangelegenheiten.

Selbst bei der Satzungsänderung betreffend des Mitgliedsstatus, der mal ebenso geändert wurde, bis heute keine Informationen über den kleinen Kreis hinaus.

Fazit:
Ein plötzlich nicht mehr besetztes Amt im Vorstand, kann kommissarisch durch den Vorstand mit einer Person und einem Mehrheitsbeschluss besetzt werden. Diese Person übernimmt die Aufgaben des unbesetzten Amtes.

Eine kommissarische Besetzung einer Vorstandsfunktion ist möglich, da die Satzung das ausdrücklich zulässt. Dies ist gleichzusetzen mit einer Selbstergänzung des Vorstandes ohne Beschluss der Mitgliederversammlung bis zur nächsten MGV.

Es ist eine Bestimmung eines zeitweiligen oder kommissarischen Mitglieds des Vorstandes bis zur nächsten regulären Wahl. Dieses kommissarische Mitglied des Vorstandes darf den Verein nicht vertreten und hat auch kein Stimmrecht bei Beschlüssen. Es übernimmt vorübergehend die Aufgaben des ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedes. Kommissarische Mitglieder des Vorstandes werden vom verbleibenden Vereinsvorstand per Mehrheitsbeschluss dazu ernannt/gewählt. Die Bezeichnung dieses Vorganges nennt man Kooptation (Selbstergänzung).

Hier ergänzt sich der Vorstand aber nicht mit einem kommissarischen Mitglied für den Vorstand "von außen", sondern der Vorstand ergänzt sich mit sich selbst bzw. mit einem vorhandenen Vorstandsmitglied. Der stellv. Vorsitzende ist weiter in seiner Vorstandsfunktion tätig, ist stimmberechtigt, darf vertreten und hat nun kommissarisch parallel die Vorstandsfunktion des Vorsitzenden?

Da der Vorstand, auch Vorstand im Sinne des §26 BGB ist, je zwei seiner Mitglieder den Verein gemeinsam vertreten, sind alle Vorstandsämter für die Vertretung des Vereins erforderlich. Des Weiteren sind Pflichtämter beim Vorstand vorgegeben (die/der Vorsitzende usw.).
Personalunion gestattet ja oder nein?

Re: Klärung eines Sachverhaltes
von: pfeffer ()
Datum: 22.03.2023

Ich verstehe es nicht ganz Herr Pfeffer. Dass, das Amt durch den Vorstand kommissarisch besetzt werden kann, ist das eine, aber mit einem bereits amtierenden Vorstandsmitglied, also einem Amtsinhaber, ist das andere. Es wäre doch nur eine sinnvolle "Selbstergänzung" bis zur nächsten MGV, wenn es kein amtierendes Mitglied des bestehenden Vorstandes ist, um je ein Amt mit einer Person zu besetzen. So scheint es doch eine Verkleinerung des Vorstandes zu sein, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.

Beispiel: drei amtierenden Vorstandsmitglieder treten nach einander zurück, was bei uns nicht unwahrscheinlich ist zur Zeit. Dann könnten die drei noch im Amt verbliebenen Personen, die drei nicht mehr besetzten Ämter kommissarisch übernehmen...? Also Personalunion?

# Ach so, das hatte ich nicht verstanden. Eine Personalunion ist etwas anderes. Nur im Sonderfall ist eine solche Verkleinerung des Vorstands möglich.

Die kommissarische Besetzung ist ja vorgesehen, um nicht sofort für die Nachwahl eine MGV einberufen zu müssen und das ist auch in Ordnung so. Und wie sieht es aus mit dem Stimmrecht? Es kann doch nicht eine Person zwei Stimmen haben bzw. geltend machen?

# Nur, wenn die Satzung das ausdrücklich so regelt.

ja, das ist wohl richtig, aber dann müsste er doch als kommissarischer Vorsitzender und stellv. Vorsitzender auf den Geschäftspapieren stehen?

# Es geht einzig darum, ob er satzungsmäßig bestellt ist. Der Rest ist eine innere Angelegenheit des Vereins.

Doch, einmal jährlich muss die MGV einberufen werden. Und Minderheitenbegehren bei ca.550 Mitgliedern ist ausgeschlossen, da ja leider nicht alle Mitglieder informiert werden, sondern nur immer ein kleiner Kreis der Ehrenamtlichen. So ist das bei allem und mit allen Vereinsangelegenheiten.

# Kommen denn die Mitlgieder nicht zur MV? Oder wird dort nicht informiert? Und wenn nein, warum fragen die Mitglieder nicht nach?

Selbst bei der Satzungsänderung betreffend des Mitgliedsstatus, der mal ebenso geändert wurde, bis heute keine Informationen über den kleinen Kreis hinaus.

# Das verstehe ich nicht. Es mussten doch alle Mitglieder zur entsprechenden MV eingeladen werden und die Satzungsänderung musste in der Tagesordnung stehen. Da kann doch keiner sagen, er wüsste nicht Bescheid!?
Eine Informationspflicht des Vorstand gibt es grundsätzlich nicht, nur ein (sehr umfassendes) Informationsrecht der Mitglieder.

Dieses kommissarische Mitglied des Vorstandes darf den Verein nicht vertreten und hat auch kein Stimmrecht bei Beschlüssen.

# Nein, wenn es satzungsgemäß bestellt wurde (das gilt auch für die kommisarische Bestellung), ist es entsprechend der Satzungsregelungen vertretungsberechtigt und hat Stimmrecht. Wozu sonst die kommissarische Besetzung?

Der stellv. Vorsitzende ist weiter in seiner Vorstandsfunktion tätig, ist stimmberechtigt, darf vertreten und hat nun kommissarisch parallel die Vorstandsfunktion des Vorsitzenden?

# Hier geht es um die Frage der Personalunion. Die ist zulässig, wenn sich aus der Satzung nicht ergibt, dass der Vorstand eine bestimmte Zahl von Personen umfassen muss. Das kann ich aus den o.g. Angaben nicht erkennen.

Da der Vorstand, auch Vorstand im Sinne des § 26 BGB ist, je zwei seiner Mitglieder den Verein gemeinsam vertreten, sind alle Vorstandsämter für die Vertretung des Vereins erforderlich.

# Wieso? Es vertreten doch zwei Mitglieder den Verein gemeinsam!