Vereinsknowhow
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6.11.2023 Kaum eine rechtliche Frage stellt sich in Vereinen öfter als die nach den Folgen eines fehlenden oder nicht vollständig besetzten Vorstands. Nur im Sonderfall ist das Problem akut. Mittelfristig besteht aber Handlungsbedarf. Generell gilt: Fehlen im Vorstand satzungsmäßig vorgesehene Mitglieder, müssen sie zeitnah bestellt (neu gewählt) werden. Der verbleibende Vorstand muss also zeitnah eine Mitgliederversammlung einberufen und Neuwahlen auf die Tagesordnung setzen. Das ergibt sich allein schon aus der Satzung. Hinweis: Eine kommissarische Besetzung (Selbstergänzung) des Vorstands ist nur zulässig, wenn die Satzung das vorsieht. Was in diesem Fall „zeitnah“ heißt, ergibt sich aus der Ladungsfrist und dem sonstigen zeitlichen Aufwand für die Einberufung. In der Regel werden das einige Wochen oder wenige Monate sein. Unmittelbare Sanktionen gibt es für die verbleibenden Vorstandsmitglieder nicht (insbesondere nicht durch das Vereinsregister). Der Vorstand macht sich aber grundsätzlich haftbar, wenn dem Verein durch eine schuldhaft verzögerte Einberufung ein Schaden entsteht. Meist wird das aber nicht der Fall sein. Vorstand ist komplett zurückgetreten Tritt der Vorstand komplett zurück, ist das grundsätzlich kein Problem. Auch der nicht mehr amtierende Vorstand kann die Mitgliederversammlung einberufen, solange er noch eingetragen ist. Das ist er meist zwangsläufig, weil er ohne Neubesetzung der Ämter nicht gelöscht werden kann. Weigert sich der zurückgetretene Vorstand einzuberufen, können die Mitglieder beim Registergericht die Einsetzung eines Notvorstands beantragen. Der zurückgetretene Vorstand tut aber gut daran, die Einberufung vorzunehmen. Er kann nämlich in Haftung genommen werden, wenn dem Verein durch den Rücktritt „zur Unzeit“ ein Schaden entsteht.
Zunächst kommt es darauf an, ob der Verein noch nach außen vertreten werden kann. Das ist der Fall, wenn die laut Satzung dafür erforderlichen Vorstandsmitglieder noch im Amt sind. Hinweis: Oft wird hier von „unterschriftsberechtigt“ gesprochen. Die meisten Rechtgeschäfts sind aber formfrei möglich, eine Unterschrift oder auch nur Schriftform ist also nicht erforderlich. Auch ein Verein ohne satzungsmäßig bestellten Vorstand ist aber nicht zwingend handlungsunfähig. Hat der verbleibende Vorstand noch die zur Vertretung des Vereins erforderlichen Mitglieder, besteht zunächst kein Problem. Nach außen kann der Vorstand den Verein vertreten und nach innen die Geschäfte führen. Trotzdem hat der Vorstand die Pflicht, Neuwahlen durchzuführen und dazu eine Mitgliederversammlung einzuladen.
In Zeiten des Online-Bankings sind Bankgeschäfte meist kein Problem. Unterschriften sind dazu ja nicht erforderlich. Die Bank löst dieses Problem bei einem Vorstand ohne Einzelvertretungsberechtigung, indem sie dem Vorstandsmitglied, das die Bankgeschäfte führt, von den anderen Vorstandsmitgliedern eine Vollmacht erteilen lässt. Überlässt ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied die für das Online-Banking erforderlichen Unterlagen einer anderen Person, können die Bankgeschäfte also fürs Erste erledigt werden. Allerdings riskiert das Vorstandsmitglied Haftungsfolgen, wenn hier ein Missbrauch erfolgt. Auch aus diesem Grund sollte also zeitnah eine Neuwahl des Vorstands und dessen Eintragung ins Vereinsregister erfolgen.
Fehlen die zur Vertretung erforderlichen Vorstandsmitglieder, spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob und wieviele Vorstandsmitglieder verblieben sind. Es macht auch keinen Unterschied, ob der restliche Vorstand die Geschäfte weiterführt oder ob sogar Personen die Geschäfte führen, die nicht zum Vorstand gehören. In beiden Fällen handelt es sich um Vertreter ohne Vertretungsmacht nach §§ 177 BGB. Hinweis: Eine Vertretung ohne Vollmacht ist im Verein eher die Regel als die Ausnahme. Schließlich sind meist nicht an jedem „Alltagsgeschäft“ alle formal dafür erforderlichen Vorstandsmitglieder beteiligt. Zum Problem würde das nur, wenn der Gesamtvorstand diese Rechtsgeschäfte nicht (stillschweigend) billigt. Das gleiche gilt, wenn jemand außerhalb des Vorstands solche Geschäfte tätigt. Unmittelbare Probleme gibt es also nur, wenn für das Rechtsgeschäft die Vertretungsberechtigung nachgewiesen werden muss. Das wird z.B. für Förderanträge und solche Rechtsgeschäfte gelten, bei denen sich der Vertragspartner absichern will, dass die entsprechende Person den Verein tatsächlich vertreten darf.
Eine Person, die ohne Vertretungsmacht und ohne Genehmigung des Vorstands für den Verein nach außen Rechtsgeschäfte abschließt, handelt als Vertreter ohne Vertretungsmacht (§ 177 BGB) und haftet grundsätzlich mit seinem Privatvermögen für die Erfüllung des Geschäfts. Der Verein kann das Rechtsgeschäft aber im Nachhinein genehmigen. Beachtet werden muss, dass eine solche Genehmigung stillschweigend entstehen kann (Anscheins- und Duldungsvollmacht). Eine verbindliche Bevollmächtigung ist also vor allem für den Bevollmächtigten wichtig. Er kann damit im Streitfall nachweisen, dass er berechtigt war, die entsprechenden Geschäfte im Namen des Vereins zu tätigen und kann vom Verein Ersatz verlangen, wenn er aus dem Geschäft privat in Anspruch genommen wird. Für die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ist die Vollmacht dagegen in der Regel nicht von Bedeutung. Es kommt grundsätzlich zustande; die Frage ist einzig, ob der Verein oder der Handelnde dafür haftet. Der Verein kann das Geschäft auch im Nachhinein jederzeit genehmigen und damit die rechtlichen Folgen (z.B. Zahlung der Kaufsumme) übernehmen.
Handelt eine Person für den Verein nach außen und duldet der Verein das, obwohl der Handelnde keine ausreichende Vertretungsbefugnis hat, kann damit der Verein im Geschäftsverkehr den Rechtsschein erzeugen, dass der Handelnde dazu berechtigt war. Die Rechtsprechung hat dafür das Konstrukt der Anscheins- und Duldungsvollmacht entwickelt. Der Verein muss dann die so zustande gekommenen Verträge gegen sich gelten lassen und sie auch erfüllen, wenn er davon wusste, dass jemand für ihn handelt und nicht einschritt (Duldungsvollmacht) oder es nicht wusste, sich dieses Nichtwissen aber schuldhaft zurechnen lassen muss, d.h. bei Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass jemand für ihn handelt (Anscheinsvollmacht).
Auch wenn eine Person ohne gültige Bestellung (Wahl) wie ein Vorstand tätig wird, entstehen Rechtsbeziehungen zwischen ihr und dem Verein. Man spricht hier von einem faktischen Vorstand. Für den faktischen Vorstand (wenn er nicht hauptamtlicher Mitarbeiter des Vereins ist) gelten die BGB-Regelungen zum Auftrag (§ 662ff). Er hat deswegen die gleichen Rechenschaftspflichten wie der bestellte Vorstand. Nicht nur der faktische Vorstand geht dabei Haftungsrisiken ein. Auch für den Verein entstehen rechtliche Folgen. Nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht muss er sich das Handeln des faktischen Vorstands zurechnen lassen, wenn er es wissentlich geschehen lässt, dass jemand für ihn wie ein gesetzlicher Vertreter handelt. Eine Billigung durch die Mehrheit der Mitglieder kommt außerhalb der Mitgliederversamm-lung nicht in Betracht. Die Duldung kommt deswegen nur zustande, wenn noch andere Vorstandsmitglieder vorhanden sind und das Handeln des faktischen Vorstands mehrheitlich dulden. Haftungsrisiken geht aber vor allem der faktische Vorstand ein. Ihn trifft grundsätzlich die gleiche Haftung wie den regulär bestellten Vorstand.
Zu Problemen mit dem Vereinsregister kommt es nur, wenn ein Vorstandsposten längere Zeit vakant bleibt. Da das Registergericht nicht von sich aus recherchiert, wird es auf das Ausscheiden eines Vorstandsmitglieds nur aufmerksam, wenn eine entsprechende Meldung erfolgt – etwa durch das ausgeschiedene Vorstandsmitglied selbst. Wie lange das Gericht die Vakanz akzeptiert, liegt in seinem eigenen Ermessen. Es wird zunächst eine Frist zur Neubestellung des Vorstandspostens setzen. Darauf sollten Sie aber nicht warten, sondern umgehend eine Mitgliederversammlung mit entsprechender Tagesordnung einberufen. Lassen Sie eine gesetzte Frist verstreichen, kann das Gericht Zwangsgelder verhängen.
Nach § 29 BGB können, wenn die erforderlichen Mitglieder des Vorstands fehlen, sie in dringenden Fällen gerichtlich bestellt werden. Ein solcher Notvorstand bleibt dann bis „zur Behebung des Mangels“ im Amt; also bis Neuwahlen durchgeführt wurden oder – im Extremfall – bis die Liquidatoren bestellt sind, die den Vereins auflösen. Da nicht mehr amtierende aber noch eingetragene Vorstandsmitglieder die Wahlversammlung noch einberufen können, wird ein Notvorstand meist nur erforderlich sein, wenn ein zur Vertretung des Vereins nötiges Vorstandsmitglied durch Tod oder Geschäftsunfähigkeit ausfällt, oder sich weigert, die Geschäfte weiter zu führen. Verweigert ein Vorstandsmitglied nur einzelne Vertretungs- oder Geschäftsführungsmaßnahmen oder blockieren sich zerstrittene Mitglieder gegenseitig, wird kein Notvorstand bestellt, sondern der Verein muss das Problem durch Neuwahlen lösen. Die dazu nötige Mitgliederversammlung kann durch Minderheitenverlangen (§ 37 BGB) einberufen werden.
Finden sich dauerhaft keine neuen Vorstandsmitglieder, bleibt nur die Auflösung des Vereins. Soweit erforderlich kann als Liquidator ein Notvorstand durch das Amtsgericht bestellt werden. |
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