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Rechtliche und organisatorische Fragen des Vereinslebens 
Verbindlichkeit von Verzehrgutscheinen
von: Jean Pierre ()
Datum: 08.05.2019

Sehr geehrter Herr Pfeffer,
unser Verein (e.V. und gemeinnützig) leistet sich den Luxus einer Vereinsgastronomie.
Dazu wurde ein Koch eingestellt der im Saisonbetrieb vom 1. April bis 31. Oktober, 4 Tage/Woche für die
Vereinsmitglieder kocht und deren Bewirtung übernimmt.
Da die Umsatzerlöse nicht ausreichen um den Wirt zu finanzieren hat die Vereinsführung verbindlich für alle Mitglieder einen sog. Verzehrgutschein eingeführt.
Vor dem Hintergrund eines Gerichtsurteils des Oberlandesgerichts München aus d.J.2007 bestehen jedoch berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verzehrgutscheins.
Das Gericht hat die Einführung solcher Gutscheine als rechtswidrig erklärt. Es sagt u.a. dass das einzelne Mitglied durch die Zahlungspflicht und den Verzehrzwang in seiner freíen Handlungsweise eingeschränkt wird. Vereine die mit der Einführung aller Mitglieder verpflichtenden Verzehrumlage die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Interessen verfolgen sind vom Gemeinnützigkeitsrecht ausgeschlossen.
Mit dieser Zwangsabgabe sichert sich der Verein eine Umsatzgarantie und signalisiert damit gewinn-
orientierte Absichten. Der Gutschein dient nicht dem Vereinszweck sondern einzig und allein nur der Geselligkeit der Vereinsmitglieder.
Meine Bitte an die Vereinsführung diesen Verzehrgutschein auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen wurde zurückgewiesen. Begründung: Das Gerichtsurteil gilt ausschließlich für Bayern und nicht für Baden Württemberg. Außerdem wurde der Verzehrgutschein mit Mehrheitsbeschluss der MV genehmigt und ist somit rechtlich zulässig. So die Meinung der der Vorstandschaft.
Dieser Verzehrgutschein ist weder in der Satzung noch in der Beitragsordnung festgeschrieben. Er ist nicht
zweckgebunden und in der Höhe nicht gedeckelt.
Er wurde im Jahr 2017 von 80 auf 240 € erhöht. Das entspricht einer prozentualen Erhöhung von 200%.
Der satzungsgemäße Mitgliedsbeitrag beträgt 110 €. Betrachtet man diesen Verzehrgutschein als zweiten nicht satzungsgemäßen Mitgliedsbeitrag so erhöht sich die Beitragsbelastung der Mitglieder von
110 + 240 = 350 €. Das entspricht einer prozentualen Erhöhung von 218%.
Nicht oder nur teilweise in Anspruch genommene Verzehrgutscheine verfallen zum Ende der saisonalen
Bewirtung am 31.Oktober bereits nach 8 Monaten ersatzlos und ohne Gegenleistung an den Verein.

Zu diesem Verzehrgutschein ein paar Fragen.

1. Ist der Urteilsspruch des OLG München auch für vergleichbare Fälle in Baden Württemberg rechts-
wirksam

2. Darf ein Verein eine Gerichtsentscheidung durch Mehrheitsbeschluss der MV außer Kraft setzen

3. Welchen Status hat ein Verzehrgutschein aus Vereins- und steuerrechtlicher Sicht. Ist er ein zweiter
Mitgliedsbeitrag - Sonderabgabe - s.g. 13. Monatsbeitrag - Zwangsabgabe - Solidaritätsbeitrag -Spende

4. Sind Beitragserhöhungen in der Größenordnung von 200 % und mehr rechtlich zulässig

5. Darf der Verein die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren eigenmächtig einschränken

6. Sind die Mitglieder zur Zahlung des Verzehrgutscheins verpflichtet, auch wenn dieser nicht in der
Satzung bzw. Beitragsordnung festgeschrieben ist


Ich bedanke mich bereits im voraus für die Beantwortung meiner Fragen.


Mit freundlichen Grüßen

Re: Verbindlichkeit von Verzehrgutscheinen
von: pfeffer ()
Datum: 09.05.2019

1. Ist der Urteilsspruch des OLG München auch für vergleichbare Fälle in Baden Württemberg rechts-
wirksam

# Haben sie eine genauere Angabe zu dem Urteil (Aktenzeichen, Datum)?
Da es hier um BGB-Vereinsrechtsrecht geht, gibt es natürlich keine Beschränkung auf ein Bundesland. Vereinsrecht ist Bundesrecht. Die Frage kann einzig sein, ob das Urteil auf Ihren Fall anwendbar ist.


2. Darf ein Verein eine Gerichtsentscheidung durch Mehrheitsbeschluss der MV außer Kraft setzen

# Es geht nicht um die Gerichtsentscheidung, weil die nur im konkreten Fall bindend ist.
Es gibt aber eine klare höchstrichterliche Rechtsprechung zu solchen Umlagen (was der Verzehrgutschein ja ist): Sie dürfen nur erhoben werden, wenn die Satzung dafür eine Grundlage und eine annäherende Bestimmung der Höhe (Betrag oder Berechnungsmaßstab) liefert.
Fehlt der, kann kein Mitglied zur Zahlung verpflichtet werden.

3. Welchen Status hat ein Verzehrgutschein aus Vereins- und steuerrechtlicher Sicht. Ist er ein zweiter
Mitgliedsbeitrag - Sonderabgabe - s.g. 13. Monatsbeitrag - Zwangsabgabe - Solidaritätsbeitrag -Spende.

# Es handelt sich um einen Sonderbeitrag.

4. Sind Beitragserhöhungen in der Größenordnung von 200 % und mehr rechtlich zulässig

# Zulässig ja, sie erlauben aber i.d.R. eine außerordentliche (sofortige) Kündigung. Die Frage stellt sich hier aber nicht, weil die Mitglieder ja nicht verpflichtet sind zu zahlen. Sie können also ohne Sanktionsfolge die Zahlung verweigern


5. Darf der Verein die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren eigenmächtig einschränken.

# Nein, sie ist ja gesetzlich.

6. Sind die Mitglieder zur Zahlung des Verzehrgutscheins verpflichtet, auch wenn dieser nicht in der
Satzung bzw. Beitragsordnung festgeschrieben ist .

# Wie gesagt, nein.

Re: Verbindlichkeit von Verzehrgutscheinen
von: Jean Pierre ()
Datum: 10.05.2019

Zunächst erst einmal vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Beantwortung meiner Fragen.
Sie haben mir damit sehr geholfen.

Zu Ihrer Frage Herr Pfeffer.
Bezugsquelle ist ein Merkblatt das der Deutsche Golf Verband für seine Mitgliedsvereine ausgegeben hat.
Darin sind auch die in Bezug genommenen Gerichtsurteile aufgeführt.
(Nachzulesen auf Google "Merkblatt Verbindlichkeit von Verzehrgutscheinen").

Mit freundlichen Grüßen