Vereinsknowhow - Kurzinfo:
Sozialversicherungspflicht: Kann ein Vorstandsmitglied selbstständig tätig sein?

18.08.2020

Das Landessozialgericht (LSG) NRW beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, ob Vergütungen an Vorstandsmitglieder sozialversicherungspflichtig sind. Fazit: Eine selbstständige Tätigkeit wird nur im Ausnahmefall vorliegen.

Zunächst stellt das Gericht fest, das die Grundsätze der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung auch für die Organe juristischer Personen des Privatrechts gelten – für Geschäftsführer einer GmbH, aber auch für Vorstandsmitglieder von Vereinen.

Dazu gehören insbesondere:

  • örtliche und zeitliche Weisungsbindung
  • Einbindung in die betriebliche Organisation
  • unternehmerisches Risiko (mindestens das Risiko des Vergütungsausfalls)
  • Einsatz eigener Betriebsmittel (z.B. Nutzung des eigenen Büros)

Daneben nennt das LSG besondere Kriterien, die für (Vereins-)Organe gelten:

  • Handelt es sich um einen „Aufwandsersatz“ oder um eine erwerbsbezogene Vergütung?
  • Werden über die bloße Organfunktion hinaus Geschäftsführungsaufgaben ausgeübt?
  • Liegt eine Bindung an Weisungen der Mitgliederversammlung vor?


Abgrenzung zum Ehrenamt

Grundsätzlich können Zahlungen an den Vorstand den Charakter eines Aufwandsersatzes haben. Sozialversicherungsrechtlich zieht das Bundessozialgericht (BSG) die Grenzen hier sehr viel weiter als das etwa lohnsteuerlich gilt (Urteil vom 16.08.2017, B 12 KR 14/16 R).

Aufgaben und Tätigkeiten, die Ausfluss der organschaftlichen Stellung einer ein Ehrenamt ausübenden Person und nicht auch für jedermann frei zugänglich seien, führen nach Auffassung des BSG regelmäßig nicht zu der für ein Arbeitsverhältnis typischen persönlichen Abhängigkeit. Etwas anderes gilt, wenn das  Vorstandsmitglied den Bereich des Ehrenamtes verlässt und eine darüber hinaus gehende Beschäftigung für den Verein ausübt, z.B. wenn er die Aufgaben des Geschäftsführers mit übernimmt. Die Ausübung satzungsmäßiger Repräsentations- und organschaftlicher Verwaltungsaufgaben – so das BSG – ist nicht Ausdruck von Weisungsgebundenheit oder Eingliederung.

Finanzielle Zuwendungen sind unschädlich, wenn sie in Form von Aufwendungsersatz konkrete oder pauschal berechnete Aufwände abdeckten, was auch in pauschaler Form geschehen kann, bzw. ein Ausfall für Zeitversäumnis oder Verdienstausfall. Die gewährte Aufwandsentschädigung darf keine verdeckte Entlohnung einer Erwerbsarbeit sein. Auch wenn die Aufwandsentschädigung bzw. der Aufwendungsersatz pauschal erfolgen, muss erkennbar sein, dass letztlich tatsächlich entstandener Aufwand bzw. tatsächlich entgangener Verdienst ersetzt wird.


Organschaftliche Funktionen und Geschäftsführung

Kein Arbeitsverhältnis im sozialversicherungsrechtlichen Sinn liegt vor, wenn der Vorstand nur reine Repräsentationsfunktionen hat. Anders, wenn er Aufgaben ausübt, die auch von angestellten Geschäftsführerinnen oder Geschäftsführern übernommen werden können. Dazu gehören – neben der Umsetzung von Beschlüssen der Mitgliederversammlung auf der Geschäftsführungsebene – z.B. Serviceleistungen gegenüber den Mitgliedern.

Soweit der Vorstand den Verein "im Tagesgeschäft" führt, übernimmt er typische operative Ausgaben eines Geschäftsführers.

Hinweis: Vor für kleinere Vereinen ohne eigenes Leistungs- und Verwaltungspersonal wird das zutreffen.

Weisungen durch die Mitgliederversammlung

Das LSG geht davon aus, dass der Vorstand regelmäßig an Weisungen der Mitgliederversammlung gebunden ist. Das stehe für das Vereinsrecht außer Frage, weil es sich bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 27 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 665 BGB). Solche Weisungen können allgemein wie auch für den Einzelfall erteilt werden, z.B. die Aufstellung des Haushaltsplanes.

Zwar kann diese Weisungsbefugnis der Mitgliederversammlung durch die Satzung weitgehend eingeschränkt werden. Das ist aber der Ausnahmefall. Zumindest wäre eine Satzungsregelung erforderlich, nach der der Vorstand ihm nicht genehme Weisungen der Mitgliederversammlung verhindern kann.

Das Fehlen einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich Arbeitszeit und -ort spricht dabei nicht gegen die Annahme einer Weisungsgebundenheit im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 des IV. Sozialgesetzbuchs. Für leitende Funktionen ist das typisch und spricht für sich genommen nicht für eine selbstständige Tätigkeit.

Persönliche Ausübung der Vorstandstätigkeit

In der Regel muss der Vorstand die ihm obliegenden Aufgaben höchstpersönlich wahrnehmen. Das spricht für eine abhängige Tätigkeit. Anders sieht es aus, wenn die Satzung eine Übertragung der Aufgaben auf einen Geschäftsführer vorsieht oder das zumindest in der Praxis der Fall ist.


Fazit

Im Ergebnis schließt das Urteil des LSG NRW eine selbstständige Tätigkeit von Vorstands­mitgliedern in den meisten Fällen aus. Denkbar ist sir vor allem in größeren Vereinen und Verbänden, wo der Vorstand eine vorwiegend repräsentative Funktion hat.

Vereinsknowhow - Know-how für Vereine und den Nonprofit-Bereich
www.vereinsknowhow.de